"Mentalität"

Unsere Gedanken, unsere Mentalität, unsere gesamte Einstellung ist meiner Meinung nach beim Reiten von großem Belang.

Das hat mir unsere Reitstunde vor ein paar Wochen, in der wir hauptsächlich über 'Gedanken' geritten sind, nochmal verdeutlicht.

 

Wenn wir an etwas bestimmtes denken, gibt unser Körper immer unmerklich kleinste Impulse. Deshalb geht dieses "Über-Gedanken-Reiten" auch so gut, wenn mans ein bisschen geübt hat.

Als ich noch klein war, hat eine Bekannte meiner Eltern, die damals auch ritt, erzählt, dass sie in den Ferien auf einem Hof geritten ist, auf dem ihr zum Angaloppieren gesagt wurde "So, jetzt stell dir mal vor, du galoppierst!", und dass das dann auch wirklich funktioniert hat. Damals hat mich das total umgehauen.

 

Und diese kleinsten Impulse bringen auch das stumpfeste Pferd dazu, darauf zu reagieren.

Egal, in welcher Weise. Auch Ignoranz ist eine Reaktion - da sollte man dann, wie bei allen "unerwünschten" Reaktionen, nach dem Warum fragen, um eine andere Reaktion hervorrufen zu können, aber das ist jetzt ein anderes Thema.

 

Solche Situationen wie Ausreiten sind das perfekte Beispiel. Da reitet man, plötzlich bemerkt man den Graben neben sich (der schon seit einigen hundert Metern neben dem Weg verläuft) und denkt sich "Ohoo, hoffentlich hüpft sie da gleich nicht rein!". Fünf Meter weiter tänzelt das Pferd dann und - klar - springt in den Graben. Und das, obwohl es das die hundert vergangenen Meter nicht gemacht hat.

Warum? Weil sich der Reiter in dem Moment des "Ohoo"s sicher etwas versteift hat. Es muss gar nicht viel gewesen sein, aber das merkt das Pferd, das MUSS es merken.

Die ganzen hundert Meter sind wir total entspannt gewesen, dann versteifen wir uns, wir verändern uns irgendwie. Also muss da ja auch irgendwas ander(e)s sein.

Klar, hier wird das Pferd dann hellhörig.

Entweder erschrickt es sich dann in dem Moment beim Umknicken eines Grashalms oder aber wir selbst schaukeln uns in unsere Gedanken so rein, dass wir dem Pferd dann irgendwann (zum Beispiel durch Klammern) den Impuls geben, schneller zu werden. Obwohl wir das gar nicht wollen.

So, plötzlicher Impuls, plötzliche Reaktion eines eh schon angespannten Pferdes. Gibt...? Eben, genau das, was wir NICHT erreichen wollten.

 

Und wer ist schuld? Natürlich das Pferd. Was ist es auch so blöd und reagiert darauf, obwohl wir eh schon angespannt sind? Außerdem haben wir doch bewusst gar nix gemacht. Es ist doch sonst immer so stumpf und reagiert auf nichts, wieso denn jetzt bitte?! Nie läuft es so, wie es soll. Dummes Pferd.

 

Nö. Nö nö nö.

Es kommt so sehr darauf an, was wir wie denken.

Unsere Gedanken sind der Auslöser für diese Impulse, die dann das Pferd kirre machen.

Wir müssen lernen, unsere Gedanken soweit zu kontrollieren, dass wir somit auch unseren Körper unter Kontrolle haben.

 

Wir wollen ja Leittier für unser Pferd sein. Angenommen, wir sind es. Dann sollte unser Pferd uns vertrauen und respektieren. Sprich, wenn wir sagen "Alles entspannt!" übernimmt das das Pferd.

Aber wenn wir sagen "Los, beweg dich, wir müssen weg!" soll es das genauso übernehmen.

 

So, und reiten wir aus und wollen uns eigentlich entspannen. Dann kommt da dieser Graben und wir verspannen uns. Das ist ein Zeichen für das Pferd, sich ebenfalls zu verspannen. Wenn wir uns jetzt irgendwie erschrecken, tut das unser Pferd auch - wir sind ja Leittier. Oder wir geben wieder ungewollt Impulse.

Weil wir für unser Pferd Leittier sind, synchronisiert es mit uns und hüpft dann zur Seite, nach vorne oder in den Graben.

 

Aber sind wir so ein gutes Leittier?

Nein.

Das ist kein gutes Leadership, keine gute Führungsqualität.

Wir verunsichern unser Pferd durch unser Verhalten in einer Situation, in der es von sich aus vollkommen entspannt wäre.

 

Aber ein gutes Leittier verunsichert nicht. Es gibt dem anderen Pferd Sicherheit, weil es weiß, dass es sich aufs Leittier verlassen kann.

 

Unser Gedankensalat führt also weder zu einem entspannten Pferd noch zu einem entspannten Menschen - und das, obwohl wir durch natürliche Kommunikation mit unserem Pferd zum Leittier aufgestiegen sind.

Es sind wieder wir, die an sich arbeiten müssen.

Und nicht das Pferd, das macht alles richtig. Es synchronisiert sich mit uns, auch wenn das in dem Moment fatal ist.

 

Wenn wir mit etwas schonmal schlechte Erfahrungen gemacht haben, fällt es uns schwer, diese Situation oder diesen Gegenstand positiv zu betrachten. Da sind wir wie Pferde.

 

Aber wie denke ich in einer Situation positiv, mit der ich auch noch was schlechtes verbinde?

Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich bin kein Psychologe.

Auch, wenns doof klingt: Denk positiv.

Diesen Punkt, an dem die Panik in uns aufsteigt, dürfen wir nicht zulassen. Ich versuche dann immer, einmal tief einzuatmen und denke dann, wie es im Optimalfall wäre.

Was anderes fällt mir schlicht nicht ein.

Das ist immer so ein bestimmter Punkt, eine bestimmte Schwelle zur Panik, die wir dann in dem Moment nicht überschreiten dürfen.

Wenn das noch nicht so gut klappt, kann man einfach mit sich selbst denken. Ich denke mir dann immer wortwörtlich "Ach, was soll schon passieren?! Die Sonne scheint, es ist warm, ich reite hier entspannt und neben uns fließt das Wasser im Bach."

 

Ja, ist total naiv und dämlich. Aber es hilft. So baue ich das Adrenalin, was da grad in meinem Körper entsteht, ab.

 

Kennt man auch als "allen Mut zusammen nehmen" aus Kindertagen ;-)

 

Ein gutes Beispiel ist ein Mädchen ausm Stall. Sie hat 'nen total süßen Wallach, der total gut geht und sich durch Blicke lenken lässt - mit Horsemanreins reitet sie völlig ohne Kontakt und man sieht weder Schenkel- noch Gewichtshilfen.

Sie hat einen super Sitz und harmoniert mit ihrem Pferd total. Letztens ist er ihr beim Galopp an hingegebenen Zügel wohl mal durchgegangen (was da genau war, hab ich nicht gefragt, er ist wohl einfach schneller geworden) und seitdem kostet es sie etwas Überwindung, ihn am langen Zügel zu galoppieren, weil sie denkt, dass das wieder passiert.

Man sieht es mit dem menschlichen Auge nicht, aber ich denke, dass ihr Pferd das schon spürt.

Sie hat da jetzt diese Hemmschwelle, über die sie nicht mehr wirklich rüberkommt.

Dabei braucht sie die meiner Meinung nach nicht - sie und ihr Pferd, die sind son typisches Dream Team. Und anstatt dann einfach seine Idee aufzunehmen, nur in verstärkter Form (siehe "Ich kann schneller reiten, als jedes Pferd rennen kann"), lässt sie diese Angst zu. Da liegts wieder an ihr, wie weit die beiden kommen (können) und sie kann das beeinflussen. Eigentlich könnte das gesamte Reiten wieder völlig entspannt für sie sein, wenn sie einfach nur bewusst anders denkt.

 

Das fordert echt ein bisschen Übung und auch solche Gefahrensituationen.

Aber wenn man dann einmal bewusst tief ausatmet und ganz bewusst denkt "Ok, was will ich? Wie erreiche ich das jetzt am besten?" könnte es klappen.

 

Ein bewusster Umgang mit seinen Gedanken und somit auch mit seinem Körper macht meiner Meinung nach auch einen guten Horseman aus, weil er mit seinen Gedanken sich und somit auch sein Pferd unter Kontrolle hat ("Mentale Fitness"). Wenn ich mein Pferd bis zum geht nicht mehr gehorsemanshipt hab, aber trotzdem immer wieder bei jedem Scheiß in Panik und Anspannung verfalle, bringt mir das nichts.

Da muss man dann lernen, loszulassen und sich selbst zu reflektieren.

 

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